Ein "verkannter" Begriff biblisch neu beleuchtet
"Sie hofft auf bessere Zeiten." - "Er hofft auf den grossen Gewinn." Hoffen und Hoffnung drücken in der Alltagssprache oft ein Wünschen, ein Sehnen aus, dessen Erfüllung alles andere als sicher ist. Biblische Hoffnung ist anders: Sie vertröstet nicht nur, sie ist fest und trägt. Eine Einladung, Hoffnung neu zu entdecken.
Wenn ich sage "Ja, das hoffe ich!" oder "Nein, das hoffe ich nicht!", dann schwingt in meiner Aussage Unsicherheit mit. Würde ich sagen "Ja, das erwarte ich!" oder "Nein, das erwarte ich nicht!", dann wirkte ich sicher und überzeugt.
Was bedeutet denn nun wirkliche Hoffnung – Sicherheit oder Unsicherheit? Die Bibel siedelt sie definitiv auf der "sicheren" Seite an.
Hoffnung "ankert" im Allerheiligsten
Ein Anker repräsentiert das biblische Symbol der Hoffnung.
Der Hebräerbrief zeigt es in 6,19: "Mit der Hoffnung haben wir einen sicheren und festen Anker." Dieser Anker hängt fest im Allerheiligsten, dem innersten Platz im Tempel Gottes. Wenn wir dorthin unseren Hoffnungsanker auswerfen, dann kann uns kein Sturm an seelischen, geistlichen oder körperlichen Schwierigkeiten umwerfen oder wegreissen.
Hoffnung ist Erwartung
Einige Übersetzungen des Neuen Testaments gebrauchen das Wort "Erwartung" dort, wo die meisten anderen "Hoffnung" schreiben. Erwartung drückt, wie oben erwähnt, Sicherheit und Überzeugung aus. Sie hat das Ziel vor Augen. Hoffnung im Sinn von solcher Erwartung baut auf Glauben, Vertrauen, Zutrauen und Dranbleiben (Treue) und erwartet von Gott das Erhoffte. Und das ist das Entscheidende: Ist in allem – auch in den Stürmen und Krisen des Lebens – die Beziehung zu Gott unser Ziel, dann werfen wir den Anker ins Allerheiligste, und der Hohepriester Jesus verankert ihn dort sturmsicher!
Dazu weitere zwei Zitate aus dem Hebräerbrief (Kapitel 11, Verse 1 und 6, Elberfelderbibel, unrevidiert, mit Fussnote): "Der Glaube ist eine feste Zuversicht dessen, was man HOFFT, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht." Und: "Wer zu Gott naht, muss glauben, dass ... er ein Belohner ist." – Hoffnung, auf Glaube gebaut, ERWARTET Gottes Belohnung.
Hoffnung ist Wille
Erstaunlich, was alles in dem Begriff Hoffnung steckt! Das griechische Grundtextwort für "Hoffnung" heisst "ELPIS". Ursprünglich wurde diesem "ELPIS" ein W-ähnlicher Buchstabe vorgesetzt (ein Digamma), und man hörte "WELPIS". In der europäischen Sprachentwicklung entstand aus derselben Wurzel "WEL", aus der im griechischen "WELPIS" (Hoffnung) wurde, im germanischen Sprachraum der Wortstamm "WEL...WILL...WOL...WOLLEN". Im Alemannischen hört man es noch gut: "Welle" – "Häsch es welle?" ("Hast du es gewollt?"). Spannende Frage, besonders wenn es nun unsere persönlichen Hoffnungen angeht: Will ich, was ich hoffe – besser noch: was ich erwarte? Wenn ich dies bejahen kann, bin ich schon fast am Ziel, egal wie weit weg es scheint.
Hoffnung als "Eingeklemmtes"?
In einigen Gegenden der Schweiz nennt man ein Sandwich auch ein "Eingeklemmtes". Zum Schmunzeln: Scheint dem Alemannen das, was zwischen den Brotscheiben lockt, das Wichtige zu sein? Wenn wir an 1. Korinther 13,13 denken, dann ist dort die Hoffnung eingeklemmt zwischen Glaube und Liebe: "Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei ..."
Klar ist Brot die Grundnahrung. Aber erst der Belag, der Aufstrich, gibt den Geschmack. Hoffnung heisst mit dem Bild des Sandwiches: eine Grundscheibe Brot, das wäre der Glaube. Dann etwas Schmackhaftes nach meinem "Willen" drauflegen, das wäre die Hoffnung. Dann kommt die oben liegende, zudeckende Scheibe Brot dazu, das wäre die Liebe.
Unsere Hoffnung bzw. unsere Erwartung ist die Aussicht auf die Belohnung am Ziel. Glaube und Liebe sollen uns schmecken – guten Appetit! Anders gesagt: Wenn Gott uns eine lebendige Hoffnung gibt, dann auch, damit unser Glaube und unsere Liebe fortwährend belebt werden und bis zum Ende schmackhaft und lebendig bleiben.
Hoffnung ist ein Weg
Jesus nennt sich "der Weg" (Johannes 14,6). Die ersten Christen hiess man "Die auf dem Weg sind" (Apostelgeschichte 9,2). Gott wird als der "Gott der Hoffnung" bezeichnet (Römerbrief 15,13). Auf einem Weg, besonders auch auf dem Weg mit Jesus, erscheint "laufend" alles immer wieder in einem neuen Licht, so auch die Hoffnung: Sie wandelt sich, steigert sich und muss von uns in immer wieder anderen Situationen und Ausprägungen neu entdeckt, ergriffen und empfangen werden. Hier einige Schriftstellen dazu:
Hoffnung ist lebendig und wächst: "Gepriesen sei ... Gott ..., der nach seiner grossen Barmherzigkeit uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung ..." (1. Petrus 1,3).
- Hoffnung liegt stets vor uns: "... dass wir die vor uns liegende Hoffnung ergreifen ..." (Hebräer 6,18).
- Hoffnung ist gut: "... unser Herr Jesus Christus ..., der uns gute Hoffnung gegeben hat ..." (2. Thessalonicher 2,16).
- Hoffnung ist glückselig: "... wir erwarten die glückselige Hoffnung ..." (Titus 2,13).
- Hoffnung ist überströmend, das heisst, sie weckt wiederum Hoffnung in anderen: "... der Gott der Hoffnung erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, um euch überströmen zu lassen in der Hoffnung" (Römer 15,13).
Hoffnung trägt, wenn alles zerbricht
Alle Menschen gehen ihren persönlichen Weg. Alle glauben dabei an irgendetwas. Viele lieben, und alle wollen geliebt werden. Und alle hoffen auf irgendetwas. Aber unterwegs zerschlägt sich so vieles. Enttäuschung, Verbitterung und Hoffnungslosigkeit wollen sich breitmachen. Aber auch das gehört zum "Weg". Es scheint mir, dass Gott uns vieles zumutet, damit wir trügerische Hoffnungen, die sich auf Menschen oder Dinge richten, loslassen. Damit wir unsere Hoffnung umso mehr auf den Gott der Hoffnung setzen und uns ihm als unserer Sicherheit anvertrauen. Nur solche Hoffnung kann den Lebensweg glücklich vollenden. Nur solche Hoffnung trägt. Nur solche Hoffnung ist mehr als "Hoffnung".