Der Jakobusbrief Kapitel 5, Verse 13 bis 16 hat schon viele Christen bewegt. Die praktischen Hinweise in diesem Text zum Thema "Krankenheilung in der Gemeinde" wurden mit mehr oder weniger Weisheit und Verständnis angewendet. In meinem persönlichen Rückblick geschah es eher mit weniger Weisheit als mit mehr. Der Grund dazu war - wie meistens - die mangelhafte Erkenntnis der Aussagen im Grundtext des Neuen Testaments. Oft zeigten sich aber auch die erwarteten "Ergebnisse" als "mangelhaft". Und schlimmer noch: Enttäuschungen im Glaubensleben und sogar neue Verletzungen folgten den gut gemeinten Handlungen und Gebeten für die Kranken. Das konnte doch nicht der Sinn der Ratschläge von Jakobus sein! Darum gehe ich nun Vers für Vers auf seinen Text ein und erkläre ihn mit den Grundtext-Bedeutungen.
Gute und schlechte Tage
Kapitel 5,13:
"Leidet jemand unter euch, der bete. Ist jemand guten Muts, der singe Psalmen..."
Leiden gehört zur Normalität im Alltag eines "gesunden Christen". Wir "leiden" täglich an irgendetwas. Es geschieht so viel Übles um uns herum. Schlechte Tagesnachrichten, die Not eines anderen Menschen, unsere eigene Gefühlswelt. Sensible Menschen sehen, hören und fühlen mit. Sensibilisierte Christen reagieren mit Reden zu Gott. Mit Gebet. Die andere Seite des Alltags heisst "guten Muts sein". Modern ausgedrückt: "hoffnungsvoll gut gelaunt sein". Hoffnung und gute Laune ziehen oft zu Musik hin, zu äußerem oder innerem Gesang, zu auferbauenden Passagen im Wort Gottes. Das nennt Jakobus "der singe Psalmen", also "der befasse sich mit Musik und ermutigenden Worten Gottes". In diesem Spannungsfeld leben wir. Täglich, wöchentlich, monatlich, jährlich. Und das ist einerseits gut so. Aber stehen wir andererseits nicht auch in der Gefahr, dass unser Leben, ja, selbst unser Glaubensleben mit Christus, zu einer Routine wird?
Tage der Schwachheit
Kapitel 5,14:
"...Ist jemand krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde..."
Tage der Schwäche durchbrechen Tage der Routine. Das hier gebrauchte Wort "krank" heisst im Grundtext "schwach" (ASTHENEI). Hier geht es nicht um Krankheit, sondern um Schwäche. Krankheit (NOSOS) zerstört, Schwäche tut uns allen immer wieder mal gut. Man denkt bei Schwäche anders über sich. Man sucht eher Rat. Und Jakobus rät: Redet mit reifen Menschen, die euren Glauben teilen. Das sollten die Ältesten der Gemeinde sein.
Die Ältesten
Wer ist dies eigentlich? Für einige sind es "gewählte Leiter" einer Organisation, die sich "Gemeinde" nennt. Für andere sind es einfach vertrauenswürdige Gläubige der "nicht organisierten Gemeinde". Da es hier um Vertrauenswürdigkeit geht, können also Älteste offiziell "Gewählte" in einer organisierten Gemeinde oder auch einfach von uns "Erwählte" aus der nicht organisierten Gemeinde, der Körperschaft von Jesus Christus sein! Nun, wie auch immer, das griechische Wort für "Ältester" heisst PRESBYTEROS und bedeutet eigentlich nur einen "vorausgegangenen Botschafter", der dann im kirchlichen Umfeld zum "Ältesten" wurde. Für mich sind Älteste gereifte Gläubige mit Lebensweisheit und Charakter.
Fortsetzung von Vers 14:
"...und lasse sie über sich beten..."
Gut so! Jedoch: beten ohne vorhergehenden Austausch? Das macht wenig Sinn. Der Kranke, besser der Schwache, muss und will doch zuerst von seinem Zustand und seinem Problem berichten! Dann - nach einem Austausch - einigt man sich zum Beten. Beten in Griechisch heisst PROSEUCHOMAI und bedeutet eigentlich "hinzu-wünschen". Dieses seltsame Wort könnte wie folgt erklärt werden: Als man in der biblisch-antiken Zeit bei einer Hoheit vorsprach, brachte man ein Geschenk mit und erst dann wünschte man sich etwas von ihr. So ähnlich wie es heute noch bei Audienzen bei wichtigen Persönlichkeiten üblich ist. Unsere Hoheit im Text ist Gott. Wir dürfen uns beim Beten zum Glück unkomplizierter nahen - aber wir sollten uns über das Ziel des Gebets einig sein (siehe auch "Die Gebetsarten im Neuen Testament").
Die Salbung
Fortsetzung von Vers 14:
"...und salben mit Öl in dem Namen des Herrn."
Dieser Textteil bereitete nicht nur mir Kopfzerbrechen, als ich noch ein junger Pastor war. Fragen wie: Was bedeutet die Salbung mit Öl? Ist sie ein "Muss" beim Gebet für den Schwachen? Welches Öl oder Salbe nehmen? Soll man die "kranke" Stelle salben oder nur eine symbolisch gemeinte Stelle auswählen - wie die Stirn zum Beispiel? Als reifer gewordener Pastor und nach meiner zusätzlichen Ausbildung in Koinä-Griechisch, der Originalsprache des Neuen Testamentes, fand ich die Antworten. Hier sind sie:
Erste Frage: Was bedeutet die Salbung mit Öl?
Das zur Nahrung verwendete Olivenöl hatte schon in antiker Zeit die zusätzliche Bedeutung von "Geist". So erklärt sich auch eine der Bedeutungen der Salbung mit Öl. Wir finden dazu verschiede Hinweise in der Bibel. Im Alten Testament salbte man Priester und Könige zu ihrer Amtseinsetzung samt ihren Geräten (4.Mose 35,25 / 1.Samuel 9,16 / 2.Mose 40.9 / 2.Samuel 1,21). Es sollte damit eine geistliche Segnung und Autorität auf ihnen ruhen. Die Praxis der Salbung erweiterte sich auf besonders geehrte Tote, siehe die Einbalsamierung von Josef (1.Mose 50,16) und die geplante bei Jesus (Markus 16,1). Salbungen empfingen auch Gäste zum Sich-Wohlfühlen, siehe Lukas 7,46. Die geistlichen Hinweise, die mit "Salben" zu tun haben, möchte ich auf den Rat an die Gemeinde in Laodizäa (Offenbarung 3,18) und an den Rat in der Predigt von Petrus in der Apostelgeschichte 3,19 beschränken. Dort heisst es im Grundtext, dass die Sünden "herausgesalbt" werden (anstatt "getilgt") durch Umsinnen und Umkehr zum Glauben an Jesus.
Dieses "Heraussalben", das uns nochmals im Kolosserbrief 2,14 begegnet, kann mit "etwas ausradieren" verglichen werden. Die Salbung mit Öl weist also sehr wohl auf einen geistlich zu verstehenden Hintergrund hin.
Zweite Frage: Ist die Salbung bei Gebet für den Schwachen ein Muss?
Natürlich nicht! Beim Austausch vor dem Gebet merkt man bald einmal, ob sie angebracht wäre oder nicht.
Dritte Frage: Welches Öl oder welche Salbe nehmen?
"Irgendeine" wäre die beste Antwort. Aber um tiefer zu antworten, müssen wir diese Frage mit der nächsten Frage verbinden, denn wir kommen in ein gewisses Dilemma... das der Medikamente, der "Heilmittel".
Vierte Frage: Welche Stelle soll man salben?
Bereits in der biblischen Zeit gehörte das Salben zu den Heilmitteln, siehe das Handeln des "guten Samariters" (Lukas 10,34). Heute noch kennt man den Spruch "schmieren und salben hilft allenthalben", aber an Medikamenten braucht es doch etwas mehr bei physischer und psychischer Schwäche. Falls der nach Heilung Suchende sichtbare Veränderungen in seiner Physis aufweist, sollte ein Arzt die Diagnose und die Medikation übernehmen und sicher nicht die Ältesten! Ich sehe für die Ältesten geistliche Aufgaben, die geistlich zum Heil, zur "Heil-ung" mitwirken. Salben würde ich bei Wunsch nur auf Stellen empfehlen, die die geistliche Einwirkung unterstützen - nachdem die medizinische Frage geklärt ist. Als Beispiel: Bei Gliederschmerzen die jeweiligen Glieder, die Hände, Arme oder dergleichen. Dort kann bei Schwachheit der Geist Gottes symbolisch und doch spürbar wirken..."in dem Namen des Herrn", wie noch ergänzt wird. Dieser Zusatz weist auf die Glaubensreife hin. Der Name des Herrn Jesus wirkt, meines Erachtens, mit dem Mass und der Analogie (Entsprechung) des Glaubens zusammen (Römerbrief 12, Verse 3 und 6).
Das Gebet des Glaubens
Jakobus 5,15:
"Und das Gebet des Glaubens wird dem Kranken helfen..."
Jetzt kommen wir zum Zentrum des ganzen Textabschnitts: Das "Gebet des Glaubens". Leider haben hier nur zwei der mir geläufigen Bibelübersetzungen die Hauptbedeutung des griechischen Wortes EUCHÄ gewählt - die "Konkordante" und die "Dabhar" Übersetzungen. EUCHÄ heisst in erster Linie "Gelübde" und erst als weitere Möglichkeit "Gebet". Man beachte die beiden Vorkommen von EUCHÄ in Apostelgeschichte 18,18 und 21,23. Dort wäre die Übersetzung von EUCHÄ mit "Gebet" sinnlos. Warum im Jakobustext, dem 3. Vorkommen des Wortes im Neuen Testament, nun plötzlich "Gebet" anstatt "Gelübde" übersetzen? Auch dies macht wenig Sinn. Darum vertrete ich die Übersetzung: Das "Gelübde des Glaubens" wird dem Kranken helfen... Es gibt noch andere Ungenauigkeiten in diesem Vers. Der "Kranke", der eigentlich der "Schwache" heisst (wie anfangs erklärt wurde), erhält eine zusätzliche Bezeichnung: Er wird der "Wankende" (KAMNONTA) genannt. Das Wort leitet sich von KAMNOO ab: müde, abgearbeitet, verdrossen bis zu "entschlafen". Die körperliche Komponente des Schwachen verbindet sich auffällig mit einer seelisch-geistigen Seite. Heisst es darum vielleicht im Grundtext - ich mache eine weitere Korrektur des Textes - "retten" (SOZOO) anstatt "helfen"? Gerettet wird die Seele, für den Körper passt besser der weitere Teil im Vers 15 - das Aufrichten des Schwachen:
"...und der Herr wird ihn aufrichten."
Das Gelübde des Glaubens
Wie schon erklärt, ist eine der Hauptaussagen des gesamten Textes das "Gebet des Glaubens", das eigentlich das "Gelübde des Glaubens" heisst. Eine weitere Frage drängt sich auf: Was bedeutet eigentlich ein "Gelübde"?
Es ist ein ernstes, auf ein Ziel gerichtetes Versprechen, das meistens in Gegenwart von Zeugen ausgesprochen wird. Oft ruft der das Gelübde machende dabei Gott an - als "ultimativen Zeugen". Der das Gelübde ablegt, der schuldet dann aber Rechenschaft nicht nur sich selbst, sondern auch den Zeugen und Gott gegenüber.
Der Jakobustext heisst also genauer: "...und das Gelübde des Glaubens wird den Wankenden retten und der Herr wird ihn aufrichten."
Meiner Ansicht nach wankt der Glaube des Schwachen. Er braucht eine Erneuerung des Glaubens. Darum soll er sich neu auf Gott ausrichten. Die Anwesenden ermutigen ihn dabei. Jedoch - was könnte er Gott geloben mit dem Gelübde des Glaubens? Gute Vorsätze? Lieber nicht! Denn "gute Vorsätze wären dazu da, um wieder gebrochen zu werden", hörte ich einmal. Nein, hier geht es nicht um gute Vorsätze, sondern um den GLAUBEN zu festigen! Es geht darum, den Glauben an Gott, das Vertrauen zu Gott und die Treue zu Gott wieder auf eine neue Grundlage zu stellen. Hier hilft das Gelübde des Glaubens.
Im 2.Brief an die Korinther 12,9 lesen wir, was Paulus in seiner Schwäche begreifen sollte. Gott sagte ihm dort: "Lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft wird in SCHWACHHEIT vollendet."
Fortsetzung von Vers 15:
"...und so er Sünden getan hat, werden sie ihm vergeben werden."
Das Gelübde des Glaubens erinnert an die Grundlage des Glaubens an Jesus Christus, der uns durch sein Erlösungswerk die Möglichkeit der Sündenvergebung anbot. Der Mensch hat sie bei seinem Christwerden angenommen, ist aber durch Verfehlungen in seinem Alltagsleben wieder geschwächt worden. Es tut ihm sicher gut, an seine Sündenvergebung erinnert zu werden.
Kapitel 5,16:
"Bekennet nun einander die Sünden und betet füreinander..."
Verfehlungen bekennen berührt alle. Jeder kann dabei seine eigenen Probleme erkennen und alle können nun füreinander beten. Das schenkt Vertrauen. Das hier verwendete Wort für "beten" heisst "wünschen" in der besten alten Handschrift des griechischen Textes. Man wünscht sich Gutes.
Fortsetzung von Vers 16:
"...damit ihr gesund werdet".
Das Gute, das sich alle wünschen, weist auf eine vollumfängliche Gesundung HIATHETE (gesunden) ist ein griechisches Wort, das man sich in der Antike für "integral gesund werden" wünschte - nach Leib, Seele und Geist.