Gnade ist ein "unauserzählbares Geschenk Gottes" (Dabhar Bibelübersetzung von 2.Korintherbrief 9,15). Luther nennt in diesem Text die Gnade "eine unausprechliche Gabe Gottes ". Unauserzählbar, unausprechlich? Wagen wir uns dennoch an eine Erklärung heran und suchen den Ursprung und Umfang der Gnade in der Bedeutung des griechischen Wortes CHARIS.
CHARIS, die Gnade, ist ein Geschenk, eine Gabe. Um nun tiefer an die Wortbedeutungen dieses Geschenks heranzukommen, müssen wir das Geschenkpapier entfernen: Als erstes finden wir eine Wortverwandtschaft zu CHARA, der Freude. Die Gnade hat also mit Freude zu tun - Gott scheint CHARIS gerne zu verschenken. Dann, beim weiteren Auspacken, entdecken wir die Bedeutungsnähe zu CHARIN, das auf Deutsch "zugunsten" heisst - denn sollte ein echtes Geschenk nicht mehr dem Beschenkten als dem Schenkenden nützen? Als nächstes kommen wir zu CHARISMA, der Gnadengabe. Diese dürfte den meisten von uns geläufig sein, in Kultur, Politik und natürlich auch als biblisch genannte Gabe. Die Verwandtschaft zu CHARIS ist naheliegend. Ein "mit Gaben begnadeter Mensch" hat "Charisma". Er hat ein Gnadengeschenk, das er nicht selber produzieren kann, sondern das ihm von seinem Schöpfer gegeben wird. Beim weiteren Auswickeln des CHARIS- Geschenkes finden wir die EUCHARISTIE, die im katholischen Gottesdienst eine Hauptrolle einnimmt. Zu Recht. Denn EUCHARISTIE kommt vom biblischen, griechischen EU-CHARIS-TIA und bedeutet eine "Danksagung". Man dankt für den Erlöser Jesus, den Gott uns als Geschenk zur Erlösung gab. Beschenkt werden und dafür danken gehört zusammen. - Der mit CHARIS Beschenkte dankt.
Haben wir nun die Urtextperle CHARIS-Gnade vom Geschenkpapier befreit und fühlen uns als "Wortbeschenkte"? Dann erleben wir CHARIZOMAI, das auf Deutsch "Gnade erweisen" heisst - die Gnade erwies uns Gnade!
Versuch einer Zusammenfassung der Urtextperle CHARIS in EINEM Satz:
"Die Gnade (CHARIS) ist ein Geschenk Gottes, das er uns mit Freude (CHARA) macht und uns diese zugunsten (CHARIN) gibt als seine Gnadengabe (CHARISMA), um uns in unserem Charisma wachsen zu lassen und dabei unsere Dankbarkeit (EUCHARISTIA) zu fördern - indem wir erleben, wie gut es tut, wenn Gott uns Gnade erweist (CHARIZOMAI).