Ein Zeichen macht Angst.
Das "Malzeichen" des Tieres aus dem 13. Kapitel der Offenbarung hat seit dem 1. Jahrhundert unserer Zeitrechnung immer wieder grosse Spekulationen ausgelöst: Welche Mächte der Politik und der Religion wollen die Menschen zwingen, sich mit diesem "Zeichen zu bezeichnen"? Im Text geht es um "Anbetung des Tieres", um Unterwerfung, und besonders um Anerkennung seiner göttlichen Autorität. Die römischen Kaiser - besonders Kaiser Nero - wurden von den ersten Christen als "das Tier" angesehen. Wer dem Staatsapparat nicht huldigte, riskierte juristische Massnahmen - bis zur Todesstrafe. Von jeder Art "kaufen oder verkaufen" wurde er ausgeschlossen. Der somit drohende wirtschaftliche Ruin, mit Ausgrenzung vom täglichen Lebensbedarf, sollten zur Annahme des "Malzeichens" führen. Seit den Römern haben sich die Machtverhältnisse und Zwänge oft verändert. Aber die Angst mit dem Malzeichen konfrontiert zu werden, blieb - und zeigt sich in Fragen gottesfürchtiger Menschen nach dem "Wo und Wie" es sich in ihrer Zeit, in ihrem "Heute" zeigen, beziehungsweise auswirken könnte?
Kapitel 13 der Offenbarung ist ein Text mit geheimnisvollen Anspielungen.
Das Malzeichen nimmt eine dominante Stellung ein. Es kennzeichnet den Namen des "Tieres" und setzt sich aus Buchstaben zusammen, von denen jeder im griechischen oder hebräischen Alphabet auch eine Zahl bedeutet. So kann sich aus einem Namen die berüchtigte Zahl 666 ergeben - und die Fantasie der Menschen beflügeln.
Aber da es um sehr ernste Lebensfragen geht, ja, um Leben und Tod, darf das Thema "Malzeichen" nicht allein die Domäne einiger Fantasten bleiben.
Welcher Machtmensch und welches Machtsystem könnte sich hinter dem "Malzeichen" oder der Zahl "666" verstecken? Viele Namen von Diktatoren, Ideologen, Politikern und sogar Päpsten reizten unentwegt zu Spekulationen. Zudem steht in Offenbarung 13,18 auch noch die Aufforderung, die Identität des Tieres herauszufinden - mit den Buchstaben seines Namens oder dem Zahlenwert 666 seines Namens. Das geschah nunmehr seit fast 2000 Jahren in jedem Jahrhundert, jedem Jahrzehnt und jedem Jahr, in dem sich politischer, ideologischer oder religiöser Zwang ausbreitete - aber leider meistens ohne viel Einblick in die Hintergründe und das Verständnis des Gesamtzusammenhangs der Ereignisse.
Seitdem das Internet mit seinen "www" Verbindungs - Möglichkeiten fast die ganze bewohnte Welt beherrscht, besteht Zugang zu einer Informationsflut - man "speist" das Internet (hochladen) und "verspeist" das Internet (runterladen). Leider kann man sich leicht dabei "den Magen verderben."
Pseudowissenschaft? Nicht nur.
Spekulationen - auch zur Zahl 666 - spriessen wie Pilze aus vermeintlichen Offenbarungen.
Im hebräischen Alphabet stehen die Buchstaben auch für Zahlen. Der 6. Buchstabe, ein "w" (waf ausgesprochen), ist eine 6. Somit ergeben die Buchstaben "w-w-w" 6-6-6 als Zahl. Symbolisch gesehen, kann 666 erschrecken - und für viele Bibelleser mehr ein angstmachendes "Malzeichen" sein, als eine neutrale Grundlage zum Surfen im Internet.
Um abstrusen Theorien zum Thema "Malzeichen" entgegen zu wirken, gehe ich von der sprachlichen Grundlage des Textes in Offenbarung 13,17 aus:
Das griechische Wort für "Malzeichen" heisst CHARAGMA. An welches bekannte Wort erinnert dieser Begriff?
CHARAGMA.
Dieser Begriff erinnert an das deutsche Lehnwort "Charakter". Unser Charakter entsteht aus Erbanlagen und Lebensprägungen. Prägungen sind eingeprägte Eigenschaften unseres Wesens. CHARAGMA heisst, genauer übersetzt, "Eingeprägtes" oder "Eingeritztes". Es kommt achtmal in der Offenbarung vor (13,16+17 / 14,9+11 / 15,2 / 16,2 / 19,20 / 20,4 ) und noch einmal in der Apostelgeschichte 17,29. Hier geht es um Götzenbilder, die Paulus - ich übersetze in wortwörtlicher Bedeutung - als "eingeprägte plastische Skulptur (CHARAGMATI) bezeichnet, die aus technischer Schöpfung (TECHNÄS) und menschlicher, gefühlter Einbildung (ENTHYMÄSEOOS) entstanden.
Das mit CHARAGMA verwandte Wort ist tatsächlich CHARAKTÄR. Im Hebräerbrief, Kapitel 1, 1-3 wird der Sohn Gottes unter anderem "als Abglanz der Herrlichkeit Gottes und als Abbildung (CHARAKTÄR) seines Wesens" bezeichnet. Durch den inneren CHARAKTÄR zeigt sich das äußere CHARAGMA. Oder, anders ausgedrückt: Das von aussen angebrachte Malzeichen (CHARAGMA) müsste etwas bezeichnen, das von innen her käme, von innen her seinen Ausdruck findet.
Das Malzeichen, das einem aufgezwungen wird, muss nicht unbedingt mit dem inneren Charakter übereinstimmen und macht den Menschen nicht automatisch "böse". Darum könnte die Akzeptanz des Malzeichens auch in einem situationsbedingten Überlebensmechanismus gesehen werden.
Der Antichrist?
Das "Tier" in Offenbarung Kapitel 13 wird von vielen Auslegern als der "Antichrist" gesehen. Johannes gebraucht den Begriff "Antichrist" aber nur in seinen Briefen (1.Johannesbrief 2,18 und 22 und 4,3 und 2.Johannesbrief Vers 7) und nicht in der Offenbarung. Zudem weist er darauf hin, dass es ausser
"dem Antichrist" (ANTICHRISTOS) "viele Antichristen" (ANTICHRISTOI) gab und geben wird. Vielleicht sieht er ihn in dem "Tier". Oder sieht er "das Tier" in Offenbarung 13 wie ein Haupt mit einer Körperschaft, analog zum bekannten Pyramidenbild auf der Dollar Note der USA ?
Beute der Angst.
Eine andere Eigenart des Malzeichens ist ja, dass es entweder auf der rechten Hand oder auf der Stirn getragen wird. Viele Ausleger vermuten, dass dies auf Taten und Denken hinweist, auf Menschen mit Hand -und Kopfarbeit. Es geht um das gesamte gesellschaftliche Leben. Liest man alle Vorkommnisse des Begriffs "Malzeichen", dann könnte wirklich grosse Angst aufkommen. Menschen, die es annehmen, bekämen den Zorn Gottes und höllische Strafen (Offenbarung 14,9-11) zu spüren. Sensible Gläubige ohne vertieftes Bibelwissen sind eine leichte Beute der Angst und leichter zu manipulieren mit allerlei Berechnungen und Behauptungen.
Nicht ohne Grund weist Offenbarung 13,17 bei allen berechnenden Überlegungen auf Weisheit und Verstand hin, ohne die es keine passende und angstwiderstehende Auslegung gibt.
Wie der Machtdemonstration begegnen?
Erstens: Sich nicht mit gleicher Art des Tieres wehren, siehe Offenbarung 13,10. Sondern man soll sich mit Geduld wappnen, mit HYPOMONÄ - Geduld. Genauer übersetzt heisst dies: mit "Darunterbleiben", also mit Geduld, die auch unter einer Diktatur ihren Platz findet.
Dann, zweitens, sich mit Glauben wappnen, mit PISTIS. Dies bedeutet nicht nur Glauben im herkömmlichen Sinn, sondern auch im Sinn von Vertrauen, Zutrauen, Treue (siehe Urtextperle PISTIS). Der treue Gott wird Gläubige nicht im Stich lassen.
Und wie der Verführung des zweiten Tieres begegnen?
Johannes sieht nach dem ersten Tier ein zweites Tier kommen.
Dieses "zweite Tier" im folgenden Vers (13,11) wird in Offenbarung 20,10 auch der "falsche Prophet" genannt. Mit Weisheit (SOPHIA) und gesundem Menschenverstand (NOUS) kann man sich gut wehren - auch in allen möglichen "Berechnungen", mit aufmerksamem Beobachten der Zeichen der Zeit, das heisst der jeweiligen "Prophetie der Zeitgeistes". Das Malzeichen wird als "menschlich" erkennbar beschrieben - siehe die Ermutigung von Offenbarung 13,18.
Angst adieu!
Das Malzeichen könnte zwar plötzlich verlangt werden, aber es wird eine erkennbare Geschichte hinter sich haben, wenn es kommt. Der charakterlich anständige Mensch und der im Glauben wachsende Christ, die beide auf "charakterlichen Werte" achten, dürften der "Charakterfalle" des CHARAGMA - Malzeichens entgehen - sei es in den Verkleidungen eines falschen Humanismus oder in offen verlangter menschenverachtender Form.
Angst manipuliert. Gott lässt Manipulationen erkennen und führt aus der Angst heraus.