Fleischliche Gesinnung - geistliche Gesinnung

Tod oder Leben

Das Kapitel 8 im Römerbrief gehört zu meiner Lieblingslektüre im Neuen Testament. Es fängt so ermutigend an. Mit dem Satz '...so ist nun nichts zu Verurteilendes mehr an denen, die in Christus Jesus sind' erhebt sich meine Seele. Jedoch, bevor ich ab Vers 14 in weiteren Höhen schweben darf, muss ich mich durch ein tiefes Tal hindurch zwängen: zwischen den Versen 5 - 9. Dort trifft mich ein besonders hartes Wort in Vers 6: '...denn die fleischliche Gesinnung ist der Tod'. Der Talboden ist erreicht! Eine kleine Anhöhe kommt, denn glücklicherweise geht der Text weiter mit '... aber die geistliche Gesinnung ist Leben und Friede'. Jedoch muss ich mit Vers 7 wieder abtauchen...: 'die fleischliche Gesinnung ist Feindschaft wider Gott'. Von dem 10. Vers an befinde ich mich wieder auf dem Höhenweg, gottlob!

Viele Jahre fragte ich mich, was 'fleischliche Gesinnung' denn wirklich ist. Während solcher Gedanken hatte ich oft die leise mitlaufende Furcht, dass ich eigentlich immer wieder fleischlich gesinnt sei. Auch dachte ich: bin ich dann zwischendurch geistlich tot? Ich weiss, es sind kindliche Gedanken, eines Theologen nicht 'würdig'! Aber so war es. Nun, was macht man als ernsthafter Christ in solchem Falle? - Man tut Busse, nachdem man 'fleischlisch-verwerflich' handelte. Das heisst, man sinnt um und bittet Gott um Verzeihung. Dazu hofft man, dass die verwerfliche Tat und die Gesinnung dabei 'nicht zu schlimm' in Gottes Augen war. Dann nimmt man sich vor - so erging es mir wenigstens - dass man möglichst lange nicht wieder 'fleischlich' handle. Soll dies ein Leben nach freiheitlichen Römer 8 Kriterien sein? Es ist eher ein unfreier, ein 'unheiliger' Kreislauf. Irgendwann lief man genug in diesem Kreis herum. Zur eventuellen Lösung des Problems drängten sich grundsätzliche Fragen auf:

  1. Was ist fleischlich?
  2. Was ist eine Gesinnung?
  3. Wie erkenne ich, ob ich 'fleischlich' oder 'geistlich' gesinnt bin?

Was ist fleischlich?

Bevor wir das Adjektiv 'fleischlich' betrachten, nehmen wir uns zuerst das Hauptwort 'Fleisch' vor. Im NT heisst es SARX in griechisch und wird sehr

oft gebraucht. Die Hauptbedeutungen wären folgende:

a) Fleisch als Natursubstanz, siehe das Beispiel im 1.Korinther 15,39
b) Fleisch im Sinne der natürlichen Abstammung, siehe Römer 1,3
c) Fleisch als Ausdruck für alle lebende Wesen, ähnlich wie 'alle Welt', siehe Matthäus 24,22
d) Fleisch mit dem menschlichen Willen gekoppelt, Johannes 1,13
e) Fleisch als Sitz und Mittel der Sünde, mit allen Neigungen dazu, siehe Römer 8,1.

Das Adjektiv 'fleischlich', griechisch SARKIKOS oder SARKINOS kommt 11 mal vor.
Dort lesen wir unter anderm von
- 'fleischlichem Gebot' (Hebräer 7,16)
- 'fleischlicher Weisheit' (2.Korinther 1,12)
- 'fleischlichen Lüsten' (1.Petrus 2,11)
- 'fleischlichen Waffen' (2.Korinther 10,4)
aber auch von 'fleischlichen Grundbedürfnissen' im Sinne von 'was zum leiblichen Leben notwendig ist' (1.Korinther 9,11 und Römer15,27).
Besonders wichtig für das Verständnis unseres christlichen Lebens sind die Worte von Paulus an die Korinther (1.Korinther 3,1-5). Er schreibt, dass ihr Verhalten fleischlisch ist. Denn sie streiten miteinander, machen Parteiungen und wandeln somit nach 'menschlicher Weise', sie seien noch
Unmündige in Christus. Er hätte lieber mit ihnen als geistlich reife Christen geredet.

Hier steht 'fleischlich' eindeutig für 'unreif' und nicht in der tödlichen Wertung der Römerstelle aus Kapitel 8,6! Ohne dass wir zusätzlich die Bedeutung von 'Gesinnung' beleuchten, kommen wir hier nicht weiter im Verständnis.

Was ist eine Gesinnung?

Das NT kennt verschiedene Grundworte, die mit 'dem Sinn', mit 'sinnen' zu tun haben. Bekannt ist zum Beispiel die tiefere Bedeutung von 'Busse tun', das besser mit 'Umsinnen' übersetzt wird. Es heisst METANOIA. (Ein deutsches Fremdwort zu diesem Wortstamm wäre 'Paranoia, paranoid', das eine psychische Störung oder Krankheit bezeichnet). NOIA, NOUS, 'der Sinn', auch 'das Denken'. Ein anderes Grundwort für 'Sinn', 'sinnen' und 'gesinnt-sein' im NT ist PHRONIMOS. Es weist auf die 'kluge Gesinnung' hin. Darum werden die fünf klugen Jungfrauen im Matthäus 25,1-11 Gleichnis PHRONIMOI genannt. In den verwandten Worten PHRONEO (klug gesinntsein), PHRONÄSIS (anhaltende kluge Gesinnungt) und PHRONÄMA (abgeschlossene, auf den Grund gehende Gesinnung) finden wir die Spur zur bedeutungsvollen sprachlichen Herkunft des Ausdrucks. Er führt zu PHREN / PHRENES, dem 'Zwerchfell', das im NT (siehe 1.Korinther 14,20) mit 'Verständnis' übersetzt wird. Das Zwerchfell unterteilt den inneren Körper in eine obere und untere Hälfte. In der biblischen Körper-Symbolik wird unser
Denken, Fühlen, Handeln von Gefühlen (unterer Teil, Magengegend) und Vernunftsschlüssen (oberer Teil, Herzgegend) bestimmt. Das Zwerchfell kann man als das Organ der Unterscheidung / Abgrenzung von 'oben' und 'unten' sehen. Darum übersetzt Luther PHRENES mit 'Verständnis'. Das Wort PHRONÄMA scheint die abgeschlossene, auf den Grund gehende, entschiedene Gesinnung zu nennen, die von unserer ganzen Persönlichkeit ausgeht.

Mit anderen Worten, wer in der PHRONÄMA Gesinnung lebt, hat ein grundsätzliches Verständnis erlangt und die Entscheidung getroffen, in diesem Verständnis zu 'wandeln', seinen Lebenswandel zu führen!

Wie erkenne ich, ob ich geistlich oder fleischlich gesinnt bin?

Das Wort PHRONÄMA kommt im NT nur im Römerbrief vor, in unserem Leittext in den Versen 6, 7 und 27. Das hat seine tiefe Bedeutung. Ich erkannte dadurch, dass ich als Christ, der sein Leben in die Hände des HERRN Jesus Christus legte und in dieser Lebensbeziehung trotz aller Sünden und Fehler willentlich bleiben will, niemals so grundsätzlich 'fleischlich' gesinnt sein kann, wie es im Römer 8,6-7 steht. Denn Im Urgrund meiner Persönlichkeit lebt mein Glaube an Jesus Christus. Ich glaube sogar, dass JESUS selbst in mir lebt, wie der Apostel Paulus den Galatern im Kapitel 2,20 schreibt: 'Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich hingeben hat'. Jesus vertritt uns in der Fürbitte vor Gott dem Vater, Römer 8,34. Der Heilige Geist vertritt uns ebenso, mit unaussprechlichen Seufzern, Römer 8,26-27. Er verwendet sich so für uns, wie er uns ganz innen im Herzen verspürt, denn er kennt das PHRONÄMA unseres Geistes genau - also auch wenn keine 'fleischliche Gesinnung' mehr vorhanden ist.

Kommen wir zum Anfang dieser Studie zurück. Nun kann ich Römer 8,1 besser und ohne Zweifel verstehen: Es ist nichts zu Verurteilendes mehr an denen, die in Christus Jesus sind! Römer 8 zeigt uns ein gewaltiges Kapitel des Wandels im Geist. Es endet mit dem Lobpreis in Vers 39:

'Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben...uns von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, scheiden kann.'

JoomShaper